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September 2020

-  Zwei Dahlien im Garten -

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Der Garten meiner Schwiegermutter hatte immer einen besonderen Charme, vor allem im September, wenn an den drei Apfelbäumen die reifen Früchte baumelten, dicke Kürbisse orangerot aus hellgrünem Blattwerk hervorleuchteten und allerorts Dahlien blühten. Es war so ganz nach meinem Geschmack, hier an schönen Herbsttagen zu malen, während die Pfauenaugen durch die Luft tänzelten, dicke Brummer vorbeischwirrten, Vögel in den Bäumen zwitscherten und am blauen Himmel weiße Wolkenberge kaum merklich dahinzogen.

Jahrelang besuchten wir als Familie meine Schwiegermutter im Sechswochenrhythmus und blieben übers Wochenende. Immer hatte ich meine Malsachen dabei. Doch die Bilder, die im Garten entstanden, haben fast ausnahmslos ein kleines Format. Woran das liegt? Mir fehlte es ganz einfach an der Zeit für ein großes Bild. Denn kaum hatte ich mich morgens zum Malen im Garten platziert, gab es bereits die erste Unterbrechung: „Mama, Du sollst kommen, das Essen ist fertig.“ Was, war es schon wieder soweit? Halb zwölf, hatten wir nicht gerade erst gefrühstückt? Schon seit Stunden war meine Schwiegermutter auf den Beinen und gab den Takt vor: Sie kochte, wir aßen, ich machte den Abwasch. Danach schnell wieder raus in den Garten. „Schatz, kommst Du zum Kaffeetrinken?“ Ach, schon halb drei. Anschließend spazierten wir traditionell zusammen zum Wald und zurück. Erst dann ging´s weiter mit meinem Bild. „Marion, willst Du nicht mit uns Abendbrot essen?“ Es war halb sieben – und nach dem Essen blieb mir keine Zeit mehr, denn im Herbst sind die Tage schon wieder kürzer.

Doch unter all den vielen Bildern, die ich im Garten meiner Schwiegermutter gemalt hatte, gibt es auch ein Aquarell in großem Format. Dieses Bild war als Geschenk für meinen Mann zu unserem 12. Hochzeitstag gedacht: Zwei rotviolette Dahlien, die gleich hinter dem Stall bei der Regentonne wuchsen. Dahlien gefallen mir wegen ihrer klaren Form, den satten Farben und ihrer großen Leuchtkraft. Aber es ist nicht einfach, die in konzentrischen Kreisen aus der Mitte herausfließenden Blütenblätter zu malen. Mal kurz, mal lang – immer bilden sie einen runden Blütenball, der mich herausfordert. Bei diesem Bild war ich zur Mittagszeit so bei der Sache, dass ich meine Schwiegermutter erst bemerkte, als sie bereits neben mir stand. „Schön, wenn man für so was Zeit hat“, sprach sie mich an. „Zeit fürs Malen hatte ich nie, da ging die Arbeit immer vor.“ –  Ich blickte überrascht auf. “Hättest Du denn auch gerne gemalt?“ – „Warum nicht?“ – „Dann probier‘s mal aus. Ich zeig´ Dir gerne, wie es geht.“ – „Nein, nein“, winkte sie ab, „mein Garten und mein Haushalt reichen mir völlig. Für mehr habe ich wahrlich keine Zeit. Kommst Du? In 10 Minuten gieße ich die Kartoffeln ab.“ Ich blickte meiner Schwiegermutter nach, wie sie langsam und etwas gebeugt zum Haus zurücklief. Steckt in jedem Gärtner nicht auch ein Künstler? Die natürlichen Arrangements wirkten auf mich jedenfalls wie ein lebendiges Kunstwerk. „Mutti, danke für den schönen Garten und die tollen Blumen“, rief ich ihr hinterher. Ob sie mich noch gehört hat? Ich holte meinen dicksten Pinsel aus der Tasche, wechselte das Wasser in den Näpfchen und malte voll Schwung mein Bild in der verbleibenden Zeit zu Ende. Dann lief ich schnell ins Haus, wo es köstlich nach Entenbraten duftete und auf dem Küchentisch die Schüsseln mit dampfenden Kartoffeln und Gemüse aus dem Garten standen.


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