Warenkorb  

(leer)

MAJOBA-Lesemagnete

Newsletter

Januar 2019

- Am Ende der Welt -

/1579-2745-thickbox/karneval-der-kulturen.jpg

Das Ende der Welt hatte für mich immer einen Namen: Feuerland. Qualmende Vulkankegel, brodelnde Kraterseen? „Nichts von alledem, sondern gigantische Grasebenen – ohne jeden Baum und Strauch“, klärte ich meine Freundin Susanne auf, während wir auf ihrer Couch saßen. – „Schade, also gar nicht beeindruckend?“ – „Ganz im Gegenteil“, antwortete ich und breitete auf dem Tisch die 12 kleinen Aquarelle aus, die ich auf Feuerland und in Süd-Patagonien gemalt hatte. „Schau mal, die Pinguine an der Magellanstraße. Und hier der kleine gezackte Eisberg“, deutete ich auf eines der Bilder. „Er trieb am Rande eines Schmelzwassersees und leuchtete aus seinem Inneren so azurblau wie der Sommerhimmel über dem Mittelmeer. Hätte ich doch nur Zeit gehabt, den Gletscher zu malen, zu dem er einmal gehörte. Er ist so gigantisch, quillt aus den Höhen eines fernen Gebirges ins Tal, einem Lavastrom ähnlich, doch aus gefrorenem Schnee. Kilometerbreit und an seiner Abbruchkante turmhoch. Einfach beeindruckend.“ „Und was ist das hier?“, Susanne nahm eines meiner Bilder in die Hand. „Springt da ein Pärchen durch die Luft?“ – Ich nickte. "Das ist eine Skulptur in Puerto Natales. Sie steht am Meer. Die beiden Figuren sind riesig, das ganze Gebilde hat eine beeindruckende Höhe. Faszinierend. Wie der Mann und die Frau der Ferne, der weiten Welt, dem Himmel oder einfach dem Leben entgegenspringen, ist wie ein ‚Trotzalledem’ in einem Land der Weite, Stille und Einsamkeit.“ – „Du meinst, das Feuer der Lebenslust brennt immer und überall, selbst am Ende der Welt?“, witzelte Susanne. Ich nickte, war aber mit meinen Gedanken bei diesem ganz besonderen „Mal-Moment am Meer“, roch noch einmal die klare Luft, fühlte die kühle Brise, spürte deutlich die Nähe zur Antarktis. Raues Klima, unwirtliche Lebensbedingungen. Wie war wohl das Lebensgefühl in dieser Region? Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Ureinwohner komplett von den Siedlern ausgelöscht. Nur im ethnologischen Museum in Berlin gibt es noch eine einzige Tonaufnahme ihrer traditionellen Gesänge. Wie klang diese Musik? Ich sollte sie mir anhören.  „Und nun sag doch schon endlich: Warum heißt Feuerland eigentlich Feuerland, wenn es dort gar keine aktiven Vulkane gibt?“, riss mich Susanne aus meiner Erinnerung. „Nun ja, als die ersten Entdecker dort mit ihren Schiffen ankamen, wärmten sich die Ureinwohner an riesengroßen Feuern. Das ist der Grund für den Namen Feuerland. Er gibt so viel Raum für die Phantasie. Dabei wäre Windland viel treffender oder einfach ‚Das Ende der Welt‘.“ Ich sah die langen Straßen vor mir, die tausenden wilden Kaninchen, die sie abends kreuzten, die Herden mit neugierigen, doch scheuen Guanakos am Straßenrand, die karibikblauen Gebirgsseen im großen Nationalpark Torres del Paine, die lilafarbigen Lupinenfelder und knorrigen, windgebeugten Bäume. Es war schön dort auf eine sehr besondere, bescheidene, fast intime Art. Ganz ohne Getöse, ganz ohne große Spuren zu hinterlassen. So leise, fast still, scheinbar im Schwinden begriffen kann es wohl nur in Patagonien, auf Feuerland und an allen Enden der Welt sein.

 

> Lesemagnet Motiv  ' Am Ende der Welt '  bestellen