Juli 2025

Die Kunst ist ein weites Feld. Ich fühle mich den Pleinair- und Aquarellmalenden zugehörig. Auch innerhalb dieses Kreises gleicht keine Handschrift der anderen: Die einen bevorzugen Aquarellstifte, andere malen nass-in-nass. Die einen lieben ein großes, andere ein kleines Papierformat. Zu Beginn zeichne ich präzise, arbeite mit dünnem Pinsel und wenig Wasser. Doch sind die Konturen festgelegt, beginnt für mich das freie Spiel mit den Farben. Trotz aller Unterschiede eint uns wohl eines: die Bereitschaft, uns spontan und mit voller Hingabe dem Sichtbaren zu widmen – ob in der Einsamkeit der Natur oder im lebendigen Puls der Stadt. Wir lassen uns ein auf den Wettlauf mit der Zeit, auf wechselnde Lichtverhältnisse, Wetterkapriolen, neugierige Passanten. Niemand scheut Sonne, Wind oder Kälte. Für keine andere Form der bildenden Kunst braucht man mehr Entschlusskraft, um das Bild – wie mit einem langen Atemzug – zu beginnen und zu beenden.
Für viele meiner Motive entscheide ich mich spontan, andere sind mir eine Herzensangelegenheit. So malte ich, gerade noch rechtzeitig vor dem Abriss, die Bar von João am Strand von Odeceixe im Süden Portugals. Es war ein kühler Nachmittag im Frühling. Ich setzte mich im Schneidersitz auf die Terrasse. Sonnenstrahlen tanzten über den kalten, versandeten Betonboden. Die letzten Winterstürme hatten das Bambusdach bereits zerzaust, die Fensterläden und die Tür waren fest verschlossen. Kein Mensch weit und breit, nur mein Mann, der unten am Wasser mit unserem Sohn spazieren ging. Anfangs brauche ich immer etwas Zeit, um mit einem Bild zu beginnen. Auch jetzt. Mein Blick wanderte geruhsam über Böschung, Fluss und Strand zum Meer, wo abends die Sonne im Horizont versinkt und sich nachts, bei klarem Himmel, die Phantasie in der Milchstraße verliert. Dann stürmten meine Gedanken durch viele Sommer – und hielten schließlich an einem einzigen Tag inne: dem 31. Juli 1995. Damals lernte ich genau hier meinen Mann Klaus kennen. Es war Abend, auf der Terrasse tummelten sich die Menschen. Viele Stimmen, viele Sprachen, viel Rotwein, Sagres, Mary Jane. Der Duft von gegrilltem Fisch und Bifanas würzte die Luft. Musik, Sommer, Jugend beschwingten die Seele. Während meine Freundin Bea und ich an diesem Abend über Gott und die Welt philosophierten, trieben unsere Kinder Schabernack mit Klaus, den ich später an diesem Abend kennenlernen sollte. Nun saß ich dort, wo einst unser Tisch stand, und malte. In meine Farben mischte sich ein wenig Melancholie – und ganz viel Freude.
Meine pleinair entstandenen Aquarelle zeigen nicht mehr als die sichtbare Wirklichkeit und doch kann ich mit ihnen einen Ort, eine Zeit, meine Gefühle festhalten – auf stille, unaufdringliche Weise. Wer die Bar von João kannte, wird in diesem Motiv seine eigenen Erinnerungen wiederfinden. Und wer sie nicht kannte, vielleicht beim Betrachten eine leise Assoziation, einen flüchtigen Traum oder den Wunsch nach längst Verlorenem in sich aufblühen sehen. Denn so persönlich, wie pleinair gemalte Bilder entstehen, so persönlich können sie auch berühren.