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September 2023

- Das alte Haus -

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Am Strand von Odeceixe stand auf der Nordseite des Flusses Seixe einst ein altes Haus. Die Erinnerung hat sich verloren, wann genau es erbaut wurde. Doch waren die letzten Bewohner Maria Rosa und José, mit denen ich sehr gut befreundet war.

Ich denke gerne an die vergangene Zeit zurück. Die Erinnerungen sind eng verknüpft mit dem Haus, das heute verfallen und von Dornenhecken überwuchert ist. Außer heruntergebrochenen Mauern, zwei massiven Pfeilern und der Steinbank, auf der man so gerne zusammensaß, ist vom Gebäude nicht mehr viel zu erkennen. Wie es einmal aussah, möchte ich für die Nachwelt festhalten: Kam man herein, befand man sich sofort im Hauptraum, dem Wohnzimmer mit gerahmten Familienfotos in Schwarz-Weiß an den Wänden und dem Konterfei von Che Guevara – gleich neben einem Bildnis von Jesus Christus. Trat man durch die Haustür hinaus, blickte man in Richtung Osten über das Flusstal des Seixe bis hin zum fernen Monchique-Gebirge.

Gestampfter, versiegelter Lehm bildete den Fußboden des Hauses, die Innenwände waren weiß und wurden jährlich frisch gekalkt. Das Dach bestand aus einem flachen Holzgebälkdreieck und Ziegeln, die an einigen Stellen von Flaschen aus Weißglas ersetzt worden waren. Sie bildeten eine weitere Lichtquelle, denn es gab noch keinen Stromanschluss und Tageslicht konnte nur durch die Tür in den Raum gelangen. Diese bestand aus zwei Teilen: Der obere war meist geöffnet, doch der untere blieb gewöhnlich verschlossen, damit Fremde oder Hühner nicht einfach hereinspazieren konnten.

In der rechten Ecke vis-à-vis der Tür standen ein massiver, recht niedriger Holztisch, an dem gut und gerne zehn Personen Platz nehmen konnten, und eine lange Holzbank. Stühle mit kurzen Beinen, hoher Lehne und geflochtener Sitzfläche waren an den Tischenden platziert, weitere an den Wänden neben den Holztruhen und der Nähmaschine. Vom Hauptraum aus führten Türen in drei weitere Räume. Rechterhand in die Küche, linkerhand ins Schlafzimmer und geradeaus in einen Raum, der schon zu der Zeit, als ich das Haus kennenlernte, ungenutzt bleiben musste, weil hier das Dach seit geraumer Zeit leckte. Die Küche besaß nur ein Fensterchen und war sehr dunkel. Hier gab es einen großen, offenen Kamin und einen Backofen. Im Kamin wurde das Essen gekocht. Auf der Asche früherer Feuer stand der Dreifuß, an der Kaminwand hingen Töpfe und Pfannen verschiedener Größe, an der Seite lehnte das Blasrohr. Mit ihm wurde das Feuer entfacht und bei Laune gehalten. Mit den gesammelten und neben dem Kamin aufgehäuften Pinienzapfen wurde auch der Backofen beheizt, der in der Ecke gegenüber der Tür seinen Platz hatte. Er war halbrund gebaut und bestand aus einem gemauerten Sockel und einem gewölbten, mit Steinen versetzten Lehmkorpus.

Das kleine Schlafzimmer mit Fensterblick über den Fluss lag gegenüber der Küche. Hier standen links und rechts der Tür zwei Betten mit weißen verschnörkelten Metallgestellen und bunten gehäkelten Bettüberwürfen. In diesem Raum wurde Jahrhunderte lang geschlafen, geliebt, gestorben, kamen Kinder zur Welt. Als letztes mein ältester Sohn.

Gerade alte Bauernhäuser haben eine außergewöhnlich lange Lebenszeit. Doch werden sie verlassen, beginnt alsbald ein rasanter Verfall. Als ich das Bild 1998 malte, war das Haus bereits unbewohnt, doch immer noch ein Haus. Mittlerweile ist es eine Ruine  –  und wird doch in der Erinnerung einiger Menschen das bleiben, was es lange war: Das alte Haus am Strand von Odeceixe mit Gemüsegarten, Blumen, flatternder Wäsche im Wind, einem wachsamen Hund, Teich, Ställen und Feldern, wo Maria Rosa und José und ihre sechs Kinder einst sehr einfach, aber glücklich lebten.

 

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