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Juni 2020

-  Am Weststrand  -

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Ich erinnere mich noch ganz genau an meinen ersten Tag am Weststrand. Meine Güte, was sorgte ich mich auf dem Weg dorthin, denn ich hatte ja keinen Badeanzug dabei. Oh, gar kein Problem, stellte ich schnell fest, denn fast alle waren nackt, nur wenige Ostsee-Fans trugen hier Badesachen. Der Weststrand ist besonders breit, überall gibt es Burgen aus Sand zum Schutz vor dem Wind. Die Kinder und Erwachsenen waren entweder im Ruhemodus oder mit dem Ausbau ihrer Sandburg beschäftigt. Ich watete gut gelaunt durchs Wasser. Bestimmt würde ich bald eintauchen, wie so viele andere auch. Aber erst mal lief ich einfach weiter, kletterte über umgestürzte, entwurzelte Baumstämme und Sandaufhäufungen und bewunderte die Treibholzburgen. Sie wurden immer stattlicher, je weiter ich mich zum ‚wilderen‘ Teil des Strandes bewegte. Ich war mir sicher: Diese Burgen waren nicht für einen Tag, sondern für einen ganzen Sommer gebaut. So wie die eine, die besonders kunstvoll aus Treibholzstämmen und Planken gestaltet war. Sie lag ein bisschen weiter weg vom Meer, doch sie fiel mir gleich ins Auge: An einem langen Seil waren kleine Ölgemälde aufgereiht. Der Künstler, ein weißhaariger, braungebrannter Mann saß entspannt vor seiner Burg und lächelte mir freundlich zu. Klar, wollte ich mir seine Arbeit näher anschauen. Er malte das Meer, die Wolken, den Strand und die Windflüchter, diese ausdrucksstarken Bäume, die der Ostseewind geformt hatte. Mal an einem schönen, freundlichen Tag, mal an einem düsteren oder im Sturm. Ein Bild, das mir sofort gefiel, zeigte eine Baumgruppe mit recht hohen Kiefern, deren Kronen vom Wind fast horizontal dem Meer abgewandt gebogen waren. „Wo stehen die denn?“, fragte ich interessiert. „Bis letztes Jahr noch da vorne, wo Du gerade vorbeigekommen bist. Die Winterstürme haben sie auf dem Gewissen. Viele der Bäume, die ich gemalt habe, gibt es nicht mehr.“ Und dann erzählte er mir, dass er bereits seit 30 Jahren die Sommermonate am Weststrand verbringt und erlebt, wie das Meer stetig an der Küste nagt. Wie seine schönsten Motive einfach verschwinden. Nein, hier brauche er nicht viel, verriet er mir. Einen Gaskocher, Wasser und ein paar Lebensmittel, einen warmen Schlafsack und für den Notfall noch ein wasserdichtes Zelt. Ab und zu kaufe er auch ein, ein Fahrrad habe er da hinten unter den Bäumen. Das Geld zum Leben verdiene er mit seinen Bildern. Und langweilig sei es ihm auch nie, ganz im Gegenteil. Ich war von ihm beeindruckt, aber auch vom Weststrand selbst. An diesem Strand leben und malen – wie aufregend und mutig war das denn.

An diesem Tag kaufte ich ihm das Bild mit der Baumgruppe ab und malte selbst Windflüchter und auch die angedeutete Silhouette eines Bootes, aus Treibholz in den Sand gestemmt. Jeden Sommer, wenn ich auf dem Darß bin, besuche ich den Weststrand, der zu den schönsten Stränden der Welt gezählt wird. Dann laufe ich diesen kilometerlangen, hürdenreichen Weg und bin immer erleichtert, dass es ‚meine‘ Windflüchter noch gibt. Von dem beeindruckenden Maler fehlt jedoch jede Spur. Ich hoffe, er hat einen neuen, noch entspannteren Ort für sich gefunden.

 

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