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Januar 2021

-  Die 'Drei Pagoden'  -

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Es war einer dieser mausgrauen Januartage, als mein Sohn Bruno und ich 2015 mit dem Zug in der chinesischen Stadt Dali ankamen – auf unserem langen Weg nach Shangri-La. Die geplante Weiterreise mit dem Bus schien jedoch unmöglich, denn alle Straßen waren wegen Neuschnees gesperrt. Was tun? „Ich schau mir heute mal die ‚Drei Pagoden‘ an“, sagte ich zu Bruno, „kommst Du mit?“ Aber Kälte und Schneegeriesel machten für ihn einen Ausflug wenig attraktiv, gab´s doch in unserem wohlig warmen Hostel einen Billardtisch und viele andere junge Reisende. Die ‚Drei Pagoden‘ lagen etwas außerhalb der antiken Altstadt Dalis und überragten lehmbraun die grauen Häuser der Vorstadt. Bald hatte ich sie zu Fuß erreicht, das Ticket für den Eintritt bezahlt und da niemand etwas dagegen einzuwenden hatte, setzte ich mich einfach in der Eingangshalle hinter die große Glasscheibe. Dort malte ich die ‚Drei Pagoden‘ im Trocknen und Warmen, während draußen noch immer die Schneeflocken vom Himmel rieselten. Als das Bild fertig war, hatte der Schneefall aufgehört und es schien eine blasse Sonne. Ich trat ins Freie, lief eine kurze Strecke und bestaunte nun die drei Türme ganz aus der Nähe. In jeder der vielen Nischen an ihren Außenwänden stand eine sakrale Figur. Die ‚Drei Pagoden‘, so entnahm ich einer englischsprachigen Informationstafel, waren der Legende nach errichtet worden, um das Tal vor dem todbringenden Einfall der Drachen des Himalaya-Gebirges zu schützen. Ich umrundete die Türme und folgte dann einer Treppe auf ein viel höher gelegenes Plateau. Von dort aus erhoffte ich mir eine noch bessere Aussicht auf die Umgebung.

Was ich sah, verschlug mir die Sprache. Es erwartete mich nicht nur der Blick über den großen Ehain-See, sondern auch in bergseitiger Richtung eine beeindruckende Sicht. Denn ich befand mich am Sockel einer gigantischen buddhistischen Klosteranlage, die sich in die Höhe erstreckte. Die langen rotgestrichenen Gebäude aus reichverziertem Holz trugen geschwungene goldene Dächer und schon von hier unten aus war erkennbar, dass sich in dieser Anlage Tempel an Tempel fügte. Mir stockte der Atem vor ungläubiger Überraschung. „Bruno, Du solltest kommen“, rief ich gleich meinen Sohn an. „Ich warte hier auf Dich.“ Bruno verstand den Nachdruck in meiner Stimme, nahm ein Taxi und stand auch bald schon neben mir. Dann durchstiegen wir gemeinsam diese Tempelanlage mit hunderten vergoldeten, überlebensgroßen und sehr menschlich wirkenden Mönchsstatuen in den Hallen links und rechts und wunderschönen, von Stufe zu Stufe bis ins Gigantische anwachsenden Buddhafiguren in querstehenden Mittelgebäuden. Nach gebührender Ehrerbietung verließen wir sie auf der Rückseite, um weitere Stufen bis zum nächsten Gebäude mit einer noch größeren, noch prächtigeren Buddha-Statue zu erklimmen. Auf der höchsten erreichbaren Ebene mussten wir auf Leitern von Podest zu Podest steigen, um den Kopf der goldenen Statue aus der Nähe sehen zu können. Die geheimnisvolle allerletzte Ebene dieser Tempelanlage war allerdings für Besucher gesperrt und der Zutritt nur den Mönchen vorbehalten.

Das war ein unverhofftes Erlebnis, das uns beiden fast unwirklich erschien. Am nächsten Tag waren die Straßen auf wundersame Weise wieder frei von Schnee und so reisten wir mit dem Bus weiter in den Westen, hoch über die Wolken zum Tibetischen Plateau, und erreichten zwei Tage später unser Ziel Shangri-La. Den mystischen Ort, den wir mit diesem Namen verbanden, entdeckten wir dort nicht. Doch hatten wir ihn bereits Tage zuvor in der Tempelanlage hinter den ‚Drei Pagoden‘ gefunden – auch wenn uns das zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst war. Genau diesen und keinen anderen Ort hatten wir auf unserer Reise gesucht.

 

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