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Februar 2020

- Die Loipe im Wald -

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Das Kind sollte endlich mal richtig Schnee erleben. Also fuhren mein Mann Klaus und ich mit unserem Sohn Joel kurzentschlossen in den tiefverschneiten Thüringer Wald. Schneemänner bauen, rodeln, mit dem Bob fahren – und dann ging es auf Langlaufskiern zu dritt durch den Winterwald. „Halt“, rief ich, als Oberhof schon in Sichtweite war, „fahrt ihr schon mal zurück in die Pension. Ich bleibe noch hier und male ein Bild von der Loipe.“ Wozu hatte ich schließlich meine Malsachen im Rucksack dabei?

Als Klaus und Joel meinem Blick entschwunden waren, schnallte ich die langen Skier ab, drapierte die Malsachen auf meinem linken Arm und stellte mich auf eine schmale Loipe, die vom Hauptweg in den Wald abbog und sich sanft hügelig schwingend in der Ferne zwischen den Bäumen verlor. Es war sehr schön hier, ruhig und einsam. Die Kälte war erträglich, obwohl ich keine Handschuhe trug. Aber in meiner Kleidung fühlte ich mich wohlig warm wie ein Teddybär. Schnell war das Bild beendet. Warum ich nun auf die Idee kam, mit einem großen Schritt von der Loipe abzuweichen, das weiß ich selbst nicht mehr. Jedenfalls tat ich ihn und versank sofort mit einem Bein im weichen Tiefschnee. Mein ganzer Körper geriet in Schräglage und ich kippte einfach um – die Arme hoch in die Luft gestreckt, in der einen Hand das Bild und den Pinsel, in der anderen den Malkasten. Die angeklemmten Wassernäpfchen kippten um und ihr Inhalt sprenkelte den weißen Schnee bunt ein.

Da lag ich nun bewegungsunfähig wie ein dicker Käfer auf dem Rücken – weich wie auf einem flauschigen Wattebausch, aber auch feucht und kalt. Zum Glück hatte ja niemand meinen wenig eleganten Abgang gesehen – doch verflixt: Warum war denn jetzt keiner da, mir aus dieser misslichen Lage zu helfen? Zu allem Überfluss fiel auch noch ein Schneeflatscher vom Baum, traf meine Jacke und rutschte mir in den Nacken. Meine Mütze saß nun schief, die Haare wurden nass. ‚Aber jetzt nichts wie weg, bevor ich einfriere‘, dachte ich. Zuerst das Bild und die Farben retten. Ich hievte sie vorsichtig auf den festen Schnee der Loipe. Selbst allerdings versank ich beim Versuch aufzustehen noch tiefer in der weißen Pracht. Jetzt fühlte ich den Schnee auch in den Ärmeln und Schuhen. Ach herrje, wie tief war ich nur gesunken? Rein höhenmäßig mindestens einen Meter. Ich musste versuchen, auf die Loipe zu klettern, die mir jetzt wie ein rettendes Mäuerchen erschien. Das war nicht einfach, aber irgendwann doch geschafft.

War ich froh, als ich wieder in der Pension war und mich aus den steif gefrorenen Klamotten schälen konnte. Im heißen Wasser der Badewanne taute ich ganz langsam wieder auf und ließ den Tag Revue passieren. Ja, auf diese Weise hatte nicht nur Joel den Tiefschnee erlebt. Auch ich hatte erfahren, was es bedeuten kann, im Winterwald vom rechten Weg abzukommen.

 

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