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November 2019

- Ali -

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„Weißt Du schon, was Du in Costa Rica malen willst?“, fragte mich meine Freundin Monika kurz vor unserer Abreise. – „Vor allem Tiere. Affen, Tukane, Kolibris, Schmetterlinge...“ – „Da hast Du Dir aber etwas Schwieriges vorgenommen“, wunderte sich Monika. – „Und jede Menge Faultiere“, schob ich hinterher. – „Na, wenigstens die sind ja einfach zu malen.“ Ich nickte, denn genau das dachte ich auch und sah mich schon gemütlich im Urwald vor einem Faultier sitzen, das regungslos in meiner Augenhöhe an einem dicken Ast hing. Das ideale Modell für eine Malerin.

Die Faultiere allerdings, die mein Mann Klaus und ich bei unseren Wanderungen durch Nationalparks zu Gesicht bekamen, kauerten dösend hoch oben im Blattwerk versteckt. Was tun? Klaus hatte von einer Auffangstation für verletzte Dschungeltiere im Reiseführer gelesen und so fragten wir kurzerhand dort an, ob wir vorbeikommen könnten. „Wenn Sie wollen, können Sie meinen Liebling Ali im Gehege hinter meinem Haus malen“, bot mir die Leiterin an, als wir dort ein paar Tage später eintrafen. Während sich Klaus noch die vielen anderen Tiere anschaute, die verletzt oder verwaist aufgefunden und von Wildhütern hierhergebracht worden waren, positionierte ich mich bereits vor dem kleinen ovalen Gehege. Hier saß auf Augenhöhe ein kräftiges Dreifingerfaultier schlummernd auf einer Astgabelung. Und schon begann ich mein Bild. Doch kaum hatte ich die ersten Pinselstriche auf Papier gebracht, als sich ganz langsam der Hut auf meinem Kopf bewegte. Nanu, wer trieb da einen Scherz mit mir? Als ich nach oben blickte, schaute ich ganz nah in das überaus freundliche und liebenswert lächelnde Gesicht eines jungen Zweifingerfaultiers mit hellbraunem Fell. Es zog nun ganz langsam seinen langen Arm zurück, schlang ihn um den nächsten Ast und turnte in Zeitlupe durchs Gehege, ohne mich je aus den Augen zu lassen.

Das also war Ali, von dem mir die Leiterin erzählt hatte. Sein rundes Gesicht mit den hellbraunen Knopfaugen, dem rosafarbenen Näschen, den weichen Lippen und diesem besonderen Lächeln. Vergessen werde ich ihn nie – und auch nicht diesen Nachmittag, als Ali, ganz langsam zwar, doch ohne Rast und Ruh durch das Geäst kletterte und ich ihm mit dem Pinsel folgte. Die Kraft in seinen Armen und Beinen war enorm, denn ganz ohne Schwung zog er sich überall in die Höhe. Manchmal kam es ihm in den Sinn, nach meinem Pinsel zu angeln. „Das, mein lieber Ali, geht zu weit. Den brauche ich selbst“, sagte ich immer wieder und erzählte ihm auch noch allerhand Wissenswertes über mich, das Leben und die Welt. Ali hangelte sich weiter und hörte lächelnd zu. „Hast Du ihn eigentlich von vorne oder von hinten gemalt?“, wunderte sich Klaus später mit Blick auf das fertige Bild. „Das weiß ich selbst nicht. Ich glaube, sowohl als auch.“

 

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