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Juni 2019

- Die ufa-fabrik -/512-657-thickbox/u.jpg

 

Ich sortierte im Wohnzimmer meine Berlin-Bilder, als mein Sohn Joel dazu kam. Als er die ‚ufa-fabrik‘ entdeckte, nahm er das Bild in die Hand und setzte sich zu mir. Er war offensichtlich in Plauderstimmung. „Ich kann mich noch richtig gut erinnern, als Du mich eine Zeit lang jeden Morgen zur Freien Schule gebracht und dann vorne vor dem Café gesessen und gemalt hast.“ – „Ja, das dauerte zwei oder drei Wochen.“ – „Und Du hast Yuppi, Sigi, Hannes, Alexis und mich gefragt, ob wir Modell stehen wollen.“ – „Genau.“ – „Und Yuppis Hund hat beim Malen tatsächlich die Zunge rausgestreckt?“ – „Ja, und zwar immer, wenn Yuppi sagte: ‚Otto, streck die Zunge raus‘ “. Joel schmunzelte, legte das Bild zurück auf den Tisch.

„Kennst Du die ‚ufa‘ von Anfang an?“, fragte er interessiert. „Ja und nein“, entgegnete ich und erzählte ihm von den späten 70er Jahren, als West-Berlin noch eingemauert war. Mehr junge und alte Menschen als die mittleren Alters lebten in der Stadt, ich studierte damals an der TU. Ich beschrieb ihm ein bisschen diese Welt und die Aufbruchsstimmung. Berlin wirkte unglaublich befreiend, alles Etablierte wurde hinterfragt. „Was denn genau?“, wollte Joel wissen. „Wir haben diskutiert, demonstriert, gestreikt und uns für Alternativen für Erziehung, Bildung und Schule engagiert. Aber auch das Nein zur Kernenergie, ein unabhängiger Journalismus, selbstbestimmte Arbeitsformen, eine gesunde Ernährung, die Emanzipation und tausend andere Dinge waren uns sehr wichtig. Dann gab´s die ersten Besetzungen. Dazu gehörte das ufa-Gelände. Als wenig später eine richtige Hausbesetzerbewegung entstand, ging es niemals nur darum, den Abriss der Häuser zu verhindern. Nein, die Leute wollten sich auch den Raum schaffen, um ihre Ideen für ein alternatives Leben umzusetzen. Fast 180 leerstehende Wohnhäuser wurden innerhalb kurzer Zeit besetzt, vor allem in Kreuzberg, aber auch in Schöneberg, Moabit und anderswo. In Charlottenburg war ‚meine‘ Danckelmann 31.“ – „Und dann?“ - „Ja, dann kamen auch schon ziemlich schnell die Räumungen. Der Traum war aus! Auch für mich. Daher bin ich aus Berlin weggegangen und erst sieben Jahre später wieder zurückgekommen. Die Stadt hatte sich in dieser relativ kurzen Zeit komplett verändert. Die ‚ufa-fabrik‘ in Tempelhof habe ich erst jetzt kennengelernt. Sie war 1988 einer der wenigen Orte, der den Zeitgeist der Sponti-Bewegung bewahrt und ihm Lebenskraft eingehaucht hat: Kommune, Freie Schule, Kinderbauernhof, Spaß und Kultur. Aus diesem Grund schätze ich die ‚ufa‘ sehr und wollte daher ihre gute Atmosphäre auf einem Bild festhalten“, schloss ich meinen kleinen Rückblick.

Joel hatte noch diese und jene Frage, dann sagte er mit echtem Bedauern in der Stimme: „Schade,  dass es nur eine 'ufa-fabrik' in Berlin gibt. Den Leuten, die da leben, geht´s gut und die Nachbarn wissen auch, wo sie hingehen können, es ist immer was los. Bei den vielen Veranstaltungen kommt doch die ganze Welt zu Besuch. Hättest Du nicht auch gerne dort gewohnt?“ – „Klar, aber so einfach ist es nicht, ein Projekt aufzubauen und dann dabei zu bleiben. Ich weiß nicht, ob ich dafür geeignet gewesen wäre. Allen Respekt den Machern.“ –„Stimmt, das stelle ich mir auch ganz schön schwierig vor. Wo Du doch so gerne reist und am liebsten gar keine Verpflichtungen eingehen willst. Was gefällt Dir so am besten an der ‚ufa‘?“ Ich brauchte nicht lange nachzudenken. „Für mich ist sie ein Ort mit Herz, Verstand und Visionen, eine bunte Oase, die dem Großstadtgrau Paroli bietet. Und das schon bald in der zweiten Generation.“ – „Hört sich gut an, Mama. Und nun zeig mir doch noch Deine anderen Berlin-Bilder. Wo und wann und warum hast Du die denn gemalt?“

 

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