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September 2018

- António -

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António war ein Fischer und ein herzensguter Mensch. Ich lernte ihn vor vielen Jahren in Portugal am Strand von Odeceixe kennen und traf ihn dort in den folgenden Jahren immer wieder. António lebte mit einer graugetigerten Katze in einer kleinen Cabana (Fischerhütte) an der Steilküste. Sein Fischerboot lag in einer winzigen Bucht und war nur über mehrere steile Holzleitern erreichbar. Ihm gehörten noch ein Garten und ein altes Fahrrad, viel mehr auch nicht. Egal, wo wir uns trafen, ob in der Strandbar von Joao, an der Küste, auf dem Weg vom Strand zum Dorf, auf dem Marktplatz von Odeceixe oder abends bei Pinto in der Tasca (Kneipe) – immer plauderten wir miteinander. Ich mochte seine sanftmütige und beständige Art, die dem Küstenstrich seiner Heimat sehr ähnlich war. Denn alles, was hier wächst und gedeiht, muss zäh und genügsam, robust und widerstandsfähig sein, Winterstürmen und Sommerdürren, Kälte und Regen standhalten.

António verstarb vor einigen Jahren, als sich die Küstenregion schon mitten in großen Veränderungen befand. Inzwischen zersetzen gigantische Treibhausplantagen die intakte Natur wie auslaufende Salpetersäure. Und ganz aktuell ist Fracking nach Erdgas das Thema, das die Menschen am Meer bewegt. Gestern Nacht träumte ich von António. Es war einer dieser Träume, in denen man Zielen entgegenstrebt, ohne sich später an den Weg zu erinnern, und Situationen erlebt, die Standbildern gleichen. Durch sie dringen Worte und Sätze ohne Stimme – und trotzdem gut vernehmbar. „Ein Bohrloch kann ich verhindern, aber keine Erdbeben“, flüsterte mir António zu. Wir standen an der Steilküste. Das Meer tief unten regte sich nicht, doch war es übersät mit gewaltig anmutenden Schiffen und bizarrem Metallschrott. Am Himmel zogen Fische mit aufgerissenen Mäulern bewegungslos dahin. Und António, wohin war er plötzlich verschwunden? Die Bohrinsel mit dem roten Turm verblasste. Helligkeit breitete sich aus und António ruderte auf dem Meer, Wasserwogen überspülten sein Boot. Die Sonne kletterte über den Horizont, dort, wo sie doch eigentlich versinken sollte. Antonio winkte, sein lächelndes Gesicht war ganz groß. „Wie hast Du das gemacht?“, wollte ich wissen, doch meine Stimme verlor sich im Ungefähr und das Bild vor meinen Augen zerfiel zu Staub, während ich langsam erwachte.

António war ein Fischer. Doch in meinem Traum war er ein Kämpfer. War er nicht sowieso, wie man sich im Dorf erzählte, der Nachfahre eines schottischen Edelmanns, der vor vielen, vielen Jahren als einziger einen Schiffbruch überlebt hatte? Der damalige portugiesischen König schenkte diesem Seefahrer den ganzen südwestlichen Küstenstrich – doch im Laufe der Jahrhunderte war von diesem Besitz durch Teilung und Verkauf nicht viel mehr übrig geblieben als das Fleckchen Erde von Antoniós Cabana. Was wie ein Märchen klingt, sollte auch so enden: „Auch wenn er schon gestorben ist, so lebt er trotzdem weiter.“ Auf jeden Fall in meiner Erinnerung – und vielleicht tatsächlich als menschengute Seele.

 

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