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Januar 2018

- Am Bund -

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China war für mich immer der Inbegriff des Fernen Ostens: faszinierend und geheimnisvoll. „China ist ganz anders, mach´ Dir da mal keine Illusionen“, sagte mein alter Freund Diddi kurz vor meiner Abreise, „es ist moderner, als Du Dir vorstellen kannst. Und vor allem bist Du dort niemals allein.“  Nun saß ich im Flugzeug – und schon, was ich von hier oben sah, war beeindruckend. Kasernenartige Industriegebäude überdeckten Gebiete groß wie Bundesländer, dazwischen Wohnturmsiedlungen,  die hoch in den Himmel ragten. Handelsschiffe schipperten wie ein Heringsschwarm entlang der Küste des Gelben Meeres und eingetaucht in eine safrangelbe Dunstwolke lag Shanghai, diese alte Stadt, die auf mich wahnsinnig modern, jung und dynamisch wirkte.

Am nächsten Abend stand ich malend auf der Uferpromenade „The Bund“, umflutet von flanierenden Menschen, vor mir der zügig dahin fließende Hangpu, am anderen Ufer die glitzernden Wolkenkratzer von Pudong, die zu den schönsten der Welt zählen und nun mein Motiv waren. Schnell verging die die Zeit und der Menschenstrom verdünnte sich mehr und mehr. Mit einem Male – pling, plong – erloschen zeitgleich die Lichter sämtlicher Wolkenkratzer. Ich blickte überrascht auf, schaute mich um und stellte fest: Ich war völlig alleine.  Alles wirkte mit einem Male so still. Selbst der Lärm der Stadt schien verstummt. Auf dem Hangpu glitzerte der Vollmond, Sterne leuchteten am klaren, schwarzen Himmel. Es war ein Moment zum Innehalten, fast magisch.

Und da stand er plötzlich neben mir, Sun Wukong, der legendäre Affenkönig. Klein, zierlich und ganz in Gold. Seine schwarzen Augen funkelten, er war neugierig, wollte sehen, was ich machte. Ich zeigte ihm mein Bild, deutete auf die dunklen Silhouetten der Wolkenkratzer. Er schaute lange und nickte freundlich, bevor er sich zum Gehen wandte. Wäre seine goldene Lanze nun plötzlich in die Länge gewachsen, hätte er mit einem Dreifachsalto den Hangpu überquert oder wäre er auf seiner Wolke davongeschwebt – nichts davon hätte mich in diesem Moment verwundert. Ich blickte ihm lange, fast erwartungsvoll nach, doch der kleine Mann im phantasievollen Affenkostüm wirkte müde, wie er sich nach einem langen Arbeitstag langsam in der Ferne verlor und irgendwann in dem großen Trupp Straßenfeger verschwand, der sich nun geräuschvoll näherte. Ich beendete schnell mein Bild, packte meine Malsachen zusammen und entkam gerade noch rechtzeitig den fleißig geschwungenen Besen. An der Straße winkte ich aus dem Verkehrsfluss ein Taxi heran, zeigte dem Fahrer die Visitenkarte des Hostels und schon sausten wir auf Straßen, die sich schlangengleich durch Hochhausschluchten wanden, durchs nächtliche Shanghai.

 

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